1971: Herr Hans Bommeli-Reutlinger wurde Nachfolger von Jörg Reto Castelberg. Seine Frau Elisabeth Bommeli war zuständig für den gesamten Haushalt der Kolonie.
Die dringend notwendigen betrieblichen und baulichen Reformen, die sich wegen des Todes von Verwalter Castelberg verzögerten, wurden vorangetrieben .
Weil man die Käserei seit dem Umbau als Testbetrieb der Schweizerischen Geschäftsstelle für Tilsiterkäse betrieb, wurde die Fabrikation von Appenzellerkäse vollständig eingestellt.
1972: Der bauliche Zustand der Kolonie war allgemein total ungenügend. Deshalb war eine Weiterführung der Kolonie Herdern ohne bauliche Umänderungen nicht mehr zu verantworten. Eine Sanierung der Anstalt mit eigenen Mitteln war jedoch unmöglich. Nach wie vor war man bei der Deckung der Betriebskosten auf freiwillige Beiträge seitens der Kantone und Privater angewiesen.
1974: Der Steinbruch wurde an die Gemeinde Hemmental zum Preis von Fr. 12'000.- verkauft.
Der Finanzierungsplan für die die 10,4 Millionen Baukosten lag vor.
1975: Die Finanzierung für den Um- und Neubau der Kolonie war gesichert und Mitte Jahr konnte mit den Bauarbeiten begonnen werden (Aufnahme-Kapazität = 80 Insassen).
Die Grundsteinlegung fand in Anwesenheit der Presse am 25. August statt. Die Aufrichtefeier konnte bereits am 12. Dezember festlich begangen werden.
Die Betriebskommission erarbeitete eine neue Hausordnung, ein Organigramm des Betriebes sowie einen Stellenplan.
«Im Zuge der Vorbereitungen des Sanierungsprojektes, wie auch in dessen Realisierungsphase ab Mitte Jahr, war der Heimbetrieb vielen Erschwernissen ausgesetzt. Vor der Volksabstimmung im Kanton Thurgau über einen Baubeitrag in der Höhe von 2 Mio. Franken, wurden rund 4'000 Personen durch den Betrieb geführt. Dazu wurden rund 30 Veranstaltungen in Vereinen und politischen Organisationen bestritten, zum Zwecke eines besseren Verständnisses für unsere soziale Institution.» (Zitat aus Jahresbericht 1975)
1976: Die erst Bauetappe wurde im Sommer 1976 abgeschossen und die zweite konnte unmittelbar daran anschliessen.
1977: Am 16.09.1977 fand an einem strahlend schönen Herbsttag die Einweihung der neuen Koloniegebäude statt.
Die geschützten Werkstätten waren nach dem Umbau bald nicht mehr wegzudenken. Als Bestandteil des Beschäftigungsprogramms erfreuten sich die fabrizierten Holzspielsachen grosser Beliebtheit.
1980: Koloniearzt Dr. F. Züst aus Frauenfeld trat nach über 30-jähriger Tätigkeit zurück. Nachfolger wurde Dr. med. Martin Escher, Pfyn.
1981: Infolge der Milchkontingentierung konnte die Kolonie die Produktionskapazität nicht mehr voll ausnutzen.
Die Tätigkeit mit vor allem geistig behinderten Menschen setzt eine Dezidiertheit im persönlichen Bereich, Charakterstärke und ein gutes fachliches Ausbildungspotential voraus. Aus diesem Grunde bemühte sich die Kolonie Herdern, das Personal in externen und internen Kursen weiter auszubilden.
«Im Dezember organisierten wir, zusammen mit der Arbeitserziehungsanstalt Kalchrain einen Kurs über Psychologie in der Alltagsarbeit. Als Kursleiter stellten sich in verdankenswerter Weise Herr Pfarrer W. Nafzger, Hüttwilen und Herr Oberpfleger E. Wyrsch, Münsterlingen, zur Verfügung.» (Zitat aus Jahresbericht 1981)
Im Jahresbericht 1981 wurde darauf hingewiesen, dass die Landwirtschaft ein wichtiger Beschäftigungsbereich war – damals arbeiteten rund 30 Männer dort. Auch in den geschützten Werkstätten fanden im Durchschnitt 30 Männer eine angemessene Beschäftigung. Um den Absatz der in eigener Regie fabrizierten Spielwaren zu gewährleisten, war aber eine sinnvolle Werbung unerlässlich. So war die Kolonie Herdern wieder mit einem Stand an der WEGA vertreten, wobei es der Institution gleichzeitig ein Anliegen war, die Ausstellungsbesucher über ihre Arbeit im Allgemeinen zu informieren.
«Haupttraktandum unserer Sitzungen war die Verwirklichung der Biogas-Anlage, die wir im Zuge der Gesamtenergiekonzeption mit der Genehmigung der Zentralkommission beschlossen haben. Wir sind uns bewusst, dass wir uns damit auf einen Pilotversuch eingelassen haben, hoffen aber, dass das Unternehmen uns der grösstmöglichen Unabhängigkeit in der Energieversorgung einen Schritt näherbringt. Die Ausführung wurde der Binotech AG in Roggwil übertragen.» (Zitat aus Jahresbericht 1982)
1983: Die Zentralkommission bewilligte einstimmig einen Kredit von Fr. 330'000.- für den Erwerb von 131 Aren Land, einschliesslich 22 Aren Bauland. Die Parzelle grenzte an den Grundbesitz der Kolonie und sollte unter anderem zu Arrondierung des Rebberges verwendet werden. Mit dem Erwerb dieser Parzelle wollte die Kolonie verhüten, dass in unmittelbarer Nähe koloniefremde Gebäude erstellt würden. Der Nachbar und Besitzer war bereit, das Land als Ganzes zu überlassen (Grundstück Oklé).
Ständig erschien auf der Traktandenliste der Betriebskommissionssitzungen die Biogasanlage, die in Betrieb stand, aber unter verschiedenen Kinderkrankheiten litt.
1984: Von Seiten der Invalidenversicherung kam der Wunsch auf, dass die Kolonie Herdern vermehrt Anlehrmöglichkeiten im Betrieb bieten soll.
1985: Die schweizerische Kolonieleiterkonferenz (welcher 5 ähnlich gelagerte Betriebe wie Herdern angehören) bot Weiterbildungsmöglichkeiten für das Personal an.
1986: Die Zentralkommission stimmte einem Kredit von Fr. 550'000.- für den Ankauf einer Liegenschaft im Oberdorf zu. Diese Liegenschaft war für ein 2-Familien-Personalwohnhaus gedacht, für welches noch einiges aufgewendet werden musste.
«Den grössten «Brocken» bei den Aufwendungen in dieser Sparte bildet jedoch die Anschaffung unserer EDV-Anlage, die einen Aufwand von rund Fr. 130'000.- erfordert.» (Zitat aus Jahresbericht 1986)
1987: Die nicht volle Belegung von maximal 84 Personen wirkte sich auf den Gesamtbetrieb, wenn auch nicht wirtschaftlich, so doch betrieblich positiv aus. Vor allem konnte das negative Image einer permanent überfüllten Anstalt abgebaut und den Versorgern bei kurzfristigen Anliegen besser entsprochen werden.
«In keiner Zeitspanne zuvor hat sich im Sozialwesen ein derartiger Wandel vollzogen wie in den letzten 20 Jahren. Dies erfordert von den auf diesem Gebiet tätigen Personen und Institutionen eine grosse Flexibilität. Vor 15 Jahren suchten wir für unsere zwar bewährte, aber den damaligen Zielsetzungen nicht mehr genügende Kolonie eine Konzeption. Diese konnte gefunden werden, indem die Aufgaben anders beleuchtet wurden und sich der Betrieb vermehrt der Psychiatrie öffnete.» (Zitat aus Jahresbericht 1988)
1988: Für die Waldungen der Kolonie Herdern lag ein Wirtschaftsplan vor.
«So stehen wir heute, was sich seit Jahren bereits abgezeichnet hatte, in einem gewissen Umbruch. Wir haben schwierigere Leute, mit welchen schon viel experimentiert wurde, und die angestrebte und oft auch erfolgreiche Resozialisierung ist immer seltener möglich.» (Zitat aus Jahresbericht 1989)
1990: Es können nur noch 15 Heimbewohner in der Landwirtschaft eingesetzt werden, in den Vorjahren waren es 30.
«Eine grosse Freude bereitete uns die Nachricht, dass der Blauburgunder von Herdern Schlossgut an der Expovina mit der grossen Goldmedaille ausgezeichnet wurde. Es ist dies der erste Thurgauer Wein, der diese Auszeichnung erreicht hat.» (Zitat aus Jahresbericht 1989)
1991: Am 7.1.1991 starb Hans Bommeli ein halbes Jahr bevor er seine 20 Jahre als Verwalter der Kolonie Herdern vollenden konnte.